Mylène Farmer spielt nicht nur in ihren Liedern, Texten und Clips auf Künstler an, die ihr etwas bedeuten und die sie beeinflußt haben – bereits ihr Künstlername (eigentlich heißt sie Mylène Gauthier) stellt eine Referenz dar, und zwar auf die amerikanische Schauspielerin Frances Farmer. Mylène äußerte sich dementsprechend in ihrem Interview mit der Schweizer Tageszeitung Le Matin im März 2000: «Das tragische Schicksal von Frances Farmer hat mich so sehr bewegt, daß ich ihr auf diese Weise eine posthume Huldigung erweisen wollte.» Ein wenig mehr über die wirklich erschütternde Lebensgeschichte dieser Frau erfahren wir, wie immer, in den wunderbaren Weiten des Internet:


Geburtstag: 19.9.1914, nach anderen Quellen: 1913
Geburtsort: Seattle, Washington, USA
Todestag: 1.8.1970

Frances Farmers interessantester Film war einer, in dem sie gar nicht mitspielt. Es war "
Frances", der Film ihres tragischen Lebens, 1982 von Graeme Clifford mit Jessica Lange inszeniert.

Frances Farmer wuchs auf als Tochter eines Anwalts, doch ihre Leidenschaft gehörte schon früh dem Theater. Versuche, beim Group Theater in New York unterzukommen, scheiterten allerdings. Eher widerwillig unterschrieb sie 1936 einen Siebenjahresvertrag mit Paramount, und noch im selben Jahr gab sie in "Too Many Parents" von Robert F. Gowan ihr Debüt. Danach ging es für Frances Farmer steil bergauf. Nach ihrer Leistung in "Nimm, was du kriegen kannst" (1936) von Howard Hawks und William Wyler wurde sie als Star gehandelt. Doch diesen frühen Ruhm verkraftete sie seelisch nicht. Sie entwickelte Star-Allüren, erwies sich bei Dreharbeiten nicht gerade als pflegeleicht. Die Filmproduzenten speisten sie daher mit kleinen Rollen ab.

Davon frustiert, setzte sie bei Paramount durch, daß sie doch noch beim Group Theater spielen durfte, doch für ihre Leistung in "Golden Boy" erntete sie Verrisse. Zurück in Hollywood, spielte sie neben Leif Erickson, mit dem sie von 1936 bis 1942 verheiratet war, in dem Western "Ride The Crooked Mile" (1938) von Alfred E. Green. Es dauerte nicht lange, bis Frances Farmer wieder laut wurde, über Drehbücher schimpfte und ständig damit drohte, wieder nach New York zu verschwinden. Dessen überdrüssig, verlieh das Studio sie an die Konkurrenz: 1940 drehte sie für United Artists das Dschungel-Abenteuer "Die Perlenräuber von Pago-Pago", wieder unter der Regie von Alfred E. Green. Nachdem sie in der Folgezeit ein Projekt mit John Garfield abgelehnt hatte, rächte sich Paramount, indem man sie in ein paar
lausige B-Filme steckte. Erst "Abenteuer in der Südsee" (1942) mit Tyrone Power brachte sie wieder in die Nähe ihres alten, wenn auch kurzen Starruhms. Doch inzwischen machte sich die nervliche Zerrüttung und Alkoholsucht immer stärker bemerkbar. Um nicht zuzunehmen, schluckte sie Amphetamine in rauhen Mengen.

Ihr nächstes Projekt, "There is no escape", konnte sie schon nicht mehr beenden. Sie galt als nymphoman und schizophren. Deshalb steckte ihre
Mutter sie für den Rest des Jahrzehnts in diverse geschlossene Anstalten, wo ihr mehr als übel mitgespielt wurde: "Ich wurde von Pflegern vergewaltigt, von Ratten gebissen und mit verdorbenem Essen vergiftet. Ich wurde in Gummizellen festgebunden, in Zwangsjacken gesteckt und in Eisbädern fast ertränkt", sagt sie.

Man traktierte Frances Farmer mit einer unmenschlichen
Insulin-Schock-"Therapie", worauf sie 1944 aus dem Sanatorium floh. Doch die Freiheit währte nicht lange. Mit Elektro-Schocks sollten ihr die Frechheiten schon ausgetrieben werden. Das alles war noch Gold gegen das, was sie ab 1945 im Landeskrankenhaus von West Washington erlebte: Wenn die Pfleger sie nicht selbst vergewaltigten, verkauften sie sie an die Soldaten eines nahegelegenen Militärstützpunktes.

Nach diesen Erfahrungen mit der
Psychiatrie war sie vollständig dem Alkohol verfallen. Bevor sie als "geheilt" entlassen wurde, unterzog sie ein damaliger führender Gehirnchirurg einer Behandlung. Ob er allerdings auch eine Lobotomie – die Einführung eines zerstörenden Stochers ins Gehirn – durchführte, ist nicht bewiesen, gilt aber als wahrscheinlich. Denn der Chirurg war längere Zeit mit Frances Farmer allein im OP. Eines ist jedoch sicher: Nach ihrer Entlassung war Frances Farmer ein anderer Mensch.

1957 fand man Frances Farmer als Hotelangestellte an einer Rezeption, und in der "Ed Sullivan Show" unternahm sie einen (vergeblichen) Comebackversuch. Er brachte ihr eine Rolle in einem längst vergessenen Teenie-Drama namens "The Party Crashers" (1958) von Bernard Girard ein, sonst nichts. 1970 starb Frances Farmer an Krebs.

Nach ihrem Tode wurde die rebellische Schauspielerin plötzlich als Kultfigur entdeckt. Die Popgruppe
Nirvana widmete ihr auf dem Album "In Utero" den Song "Frances Farmer Will Have Her Revenge On Seattle". Culture Club deklarierten "The Metal Song" als Tribut an Frances Farmer, und der Song "Ugly Little Dreams" von Everything But The Girl handelt ebenfalls von ihr. 1991 schrieb George Snows eine Rockoper namens"Frances Farmer My Hero".

In der Filmbiographie "Frances" (1982) erspielte sich Jessica Lange in der Hauptrolle eine Oscar-Nominierung.

© Jürgen Wimmer, Verwendung mit freundlicher Genehmigung

Quelle: http://jwi.feynsinn.de/Kino/bioff.html


Im Film «Giorgino», den Mylène Farmer mit Laurent Boutonnat 1994 gedreht hat, wird übrigens möglicherweise direkt auf die Torturen angespielt, die Frances Farmer durchleiden mußte – als Catherine wird Mylène in einem „Sanatorium“ in einen Bottich mit eiskalten Wasser gesperrt, aus dem sie erst rausgelassen werden soll, wenn ihr Widerstand gebrochen ist. Überdies hat sie auch ihre erste Single «Maman a tort» («Mama hat unrecht») Frances gewidmet – wohl auch eine Andeutung, daß die Mutter von Frances Farmer im Unrecht war, als sie ihre Tochter in psychiatrische Anstalten einwies. Die Lebens- und Leidensgeschichte von Frances paßt auf jeden Fall zu den Untiefen und Abgründen in Mylènes Werken.